Hout Bay – (m)ein kleines gemütliches Fischerdorf in Kapstadt
Hout Bay liegt rund 20 Kilometer vom Stadtzentrum Kapstadts entfernt und doch hat man das Gefühl eine eigene kleine Welt zu betreten.
Im letzten Jahr habe ich in Hout Bay, das von den Ansässigen liebevoll ‘the republic of Hout Bay’ genannt wird, einen Monat verbracht. Ich wollte mir eine Auszeit nehmen, um an meinem Büchlein zu arbeiten und fand diesen idyllischen Ort, an dem alles noch ein weinig langsamer als im berüchtigt dauerentspannten Kapstadt zu geht, perfekt dafür.
Den autarken Namen der „Republik“ hat sich Hout Bay im Übrigen dadurch verdient, dass das Örtchen bis vor Kurzem relativ abgeschottet war und vornehmlich nur mit Minibussen und eigenem Fahrzeug zu erreichen. Mittlerweile gibt’s aber den MyCiTi Bus, mit dem man problemlos innerhalb von 20 -30 Minuten aus der City in Hout Bay ist. Denn eins darf man nicht vergessen, infrastrukturell hat sich Kapstadt in den letzten Jahren gemausert. Während ich vor 6 Jahren noch stets auf die Minibusse angewiesen war und mir all´ meine Information per „Mundpropaganda“ suchen musste, kann man heute auf ein ziemlich komfortables Busnetz zurückgreifen und jegliche Abfahrtpläne im Internet finden. Tja, das Reisen ist einfach geworden: zumindest im sehr touristischen, doch dafür nicht minder schönem Kapstadt in Südafrika.
Am liebsten saß ich in Hout Bay in einem der vielen liebevoll geführten Cafés und versuchte mich trotz der Smalltalks der Hout Bayer aufs Schreiben zu konzentrieren. Das war natürlich eine heikle Sache, denn Hout Bays dörflicher Touch lässt einen Fremden nach kurzer Zeit schnell irgendwie mit „dazu gehören“ und gerne mal die Gespräche über vier Tische laufen. Meinen lieben und treuen Freund Len, lernte ich dann auch bald an der Kasse des Supermarktes Pick n Pay kennen, wo ich mich leider mit meinen Ausgaben grob verrechnet hatte. Len half mir aus der peinlichen Kassensituation mit 10 Rand aus und von da an war unser Freundschaftsband besiegelt. – Na ja, um ehrlich zu sein nicht ganz. Denn Len war gebürtiger Schotte, ein Mit-Siebziger und auf dem ersten Blick hatten wir nicht viel gemeinsam. Doch schon bald sollte sich herausstellen, dass Len ein wundervoller inspirierender Mensch war, der nicht nur fließend Xhosa (und diverse andere afrikanische Sprachen) sprach, sondern in Hout Bay auch als bunter Hund galt und sich in mehreren sozialen Projekten freiwillig engagierte. Unter anderem unterrichtete er Xhosa an die – vor allem weißen – Südafrikaner mit der Vision die verschiedenen Bewohner und Kulturen im „eigenen“ Land näher zu bringen. Nie werde ich den Tag vergessen, an dem Len es schaffte den weißen Sheriff und einen Coloured (leider ist mir sein Name entfallen) der Regierung sowie mich im selben Fahrzeug zu versammeln und uns die beiden Townships Hout Bays – Hangberg und Imizamo Yethu (auch bekannt als: ‚Mandela Park‘) zu zeigen. Weder der Sheriff noch der Herr der Regierung hatten die Townships vorher (außer zu offiziellen Anlässen) je besucht. Hout Bays Townships zeichnen sich dabei besonderen dadurch aus, dass sie nicht wie viele andere Townships Kapstadts „außerhalb gelegen“ sind, sondern quasi direkt in das Örtchen integriert. In kaum einem anderen Ort in Kapstadt werden die Gegensätze zwischen arm und reich so sichtbar wie in Imizamo Yethu in Hout Bay. Doch während ein Besuch der Township mit einem ihrer Bewohner oder auch eine der geführten Township-Touren einen vielleicht etwas Unbehagen bereitet, weil man sich als Eindringling fühlt bzw. schnell offenkundig als „Beobachter“ entlarvt wird, so war der Besuch mit Len ganz anders. „UmLungu“ (Xhosa: weißer Mann) hörte ich aus allen Ecken grüßen und dann wurden schnell eine paar freundliche Worte in Xhosa und ein Schulterklopfen ausgetauscht. Während ich das Gefühl hatte, dass der Sheriff als Autorität gezwungenermaßen von den Township Bewohnern auch so begrüß wurde, so schien es als hätte sich Len seinen Respekt und seine Achtung in Imizamo Yethu über Jahre verdient…
Nun aber wieder zurück zur eigentlichen Frage: Was macht den Charme Hout Bays aus? Diese einzigartige und zeitlose Schönheit des hübschen Örtchens an der stürmischen Atlantikküste, dem Ort an der malerischen Bucht, wo immer ein zugiges Lüftchen weht und ich auch in diesem Jahr im November – frisch aus dem herbstlichen Deutschland eingeflogen – schon wieder pausenlos meckere, weil ich ständig friere. Und das, obwohl der Sommer hier quasi vor der Tür steht. Da wundert´s mich wirklich, dass Hout Bay von dem frühen holländischen „Entdecker“ Johan van Riebeeck den Namen „Hout Bay“ (Holz Bucht) bekam. „Wind Bay“ (windige Bucht) wäre hier wohl treffender gewesen. Doch Grund für die Namensgebung war vielmehr das Holz dieser waldreichen Bucht. Von den Wäldern rund um Hout Bay ist heute außer am Ortsanfang selbst jedoch nur wenig übrig geblieben, doch auch das nimmt dem Örtchen nicht seinen Charme.
Hout Bay – einst ein Fischerdorf, das seit Ende des 19. Jahrhunderts als wichtigster Ort der südafrikanischen Fischerei gilt – hat es bis heute geschafft seinen ganz eigenen Flair mit seinem belebten Hafen und der gleichzeitig dörflichen Atmosphäre beizubehalten. Der lange weiße Strand in der Bucht, die hell leuchtenden Dünen, die einem stets und ständig eine Brise frischen Dünensand ins Gesicht fegen – eingebettet in eine traumhafte Bergkette und der Atlantik im Süden – machen Hout Bay einzigartig. Und wer denkt, der Tafelberg biete den besten Ausblick, der sollte sich eines besseren überzeugen und die Chapman´s Peak Bergkette bzw. den Constantiaberg „bewandern“. Der Blick über die Bucht, den Chapman´s Peak Drive und den kleinen, aber einprägsamen Berg „The Sentinel“ (331m) ist einmalig!
Doch nun wieder zurück zum Wesentlichem – dem Fisch! Denn Hout Bay steht vor allem für den Fischfang und seinen Hafen. Ich liebe es barfuß durch Hout Bay´s Dünen und dann durch den kühlen Atlantischen Ozean zu waten und den Fischern bei ihrem jährlichen Sardinenfang zu zuschauen. Es ist ein wahres Spektakel und regelmäßig trifft man hier auch Filmteams, vorzugsweise deutsche, die über die Sardinenläufe (Sardine Run) berichten. Der Hafen selbst ist eine kleine Welt für sich. Hier setze ich mich gern in eines der einfachen „Fischrestaurants“ bei frittiertem Calamari und schaue dem bunten Treiben zu. Fish 4 Africa ist dabei meine Nummer eins – nicht wegen ihres Slogans „Was frischer ist, schwimmt noch …“, sondern weil’s dort einfach nett zu geht. Von dort lassen sich auch gut die anlegenden Fischkutter, die hier täglich ihre Fänge ausladen, dabei beobachten, wie sie ihren Fang direkt am Hafen verarbeiten. Dann wimmelt es manchmal nur so voller Robben und dauert nicht mehr lange bis man einen zahnlosen Herrn mit rauer Seemannsstimme antrifft, der eine fette Robbe mit frischem Fisch am Hafenrand füttert. Zur Showeinlage gehört dann meistens auch der Robbenkuss, wobei er sich einen dicken Fisch in den Mund schiebt, der dann kurz darauf im Robbenschnäuzchen landet. Wenige Sekunden später werden die Zuschauer um einige Rand gebeten, schließlich braucht die Robbe wieder Fisch : ) Natürlich gibt´s in Hout Bay auch eine kleine Waterfront, die Mariner’s Warf, von der aus man Bootstouren in die Bucht oder ins Robbenparadies Duiker Island machen kann.
Touristen und Capetonians wissen also nur zu gut, warum sie am Wochenende in Scharen in Hout Bay aufmarschieren. Nämlich um ganz frische „Fish & Chips“ zu essen, den trendigen Bay Harbour Market oder wöchentlichen Kunstmarkt Hout Bay Craft Market zu besuchen, die Seelöwen zu beobachten oder in einem der dünenüberblickenden Restaurants Muscheln zu essen. Doch allein die Fahrt ins hübsche Fischerdorf ist einen Ausflug wert. Zwar muss die Fahrt über den Chapman´s Peak Drive zwischen Hout Bay nach Noordhoek bezahlt werden, doch das ist es allemal wert. Es ist eine der schönsten und atemberaubendsten Straßen, die es wohl gibt. Unzählige Autowerbungen, die ihre Karossen zwischen Meer und steilen Felswänden bei Sonnenuntergang vorbeirauschen lassen, sprechen dafür.
Viel schöner ist es jedoch sich nach oder vor Sonnenuntergang die Laufschuhe zu schnappen und den Chapmans Peak Drive entlang zu rennen. Auch das ist eine Freude und Leidenschaft, die ich mit meinem Freund Len teilte! Nur dass er mich als Ultra-Marathon Läufer um Längen abgehängt hätte. Und so habe ich mir auch heute wieder meine Laufschuhe geschnappt und bin entlang der wundervollen Straße zwischen Constantiaberg und dem Atlantischen Ozean gerannt. In Gedanken und Gedenken an meinen Freund Len.
Denn traurigerweise hat dieser wunderbare Mensch nicht nur Hout Bay – sondern unsere Erde am 4. August diesen Jahres verlassen. Er hat einen kurzen, aber schmerzlichen Kampf gegen den Krebs verloren – und ich mit ihm einen lieben Freund in meinem Leben. Doch ich bin froh, dass ich Len im vergangenem Jahr in Hout Bay kennen lernen durfte. Er hat mich gelehrt, dass Freundschaften und Begegnungen im Leben auch noch so kurz sein können und mögen, doch trotzdem eine prägende und tiefe Bedeutung – einen so nachhaltigen Einfluss auf uns haben können. Zur Beerdigung von Len konnte ich leider nicht kommen und nun – erneut in Hout Bay – versuche ich seit einigen Tagen Lens letzte Ruhestätte zu finden, um endlich Abschied nehmen zu können. Und wo ich auch bin – in einem der vielen gemütlichen Cafés in Hout Bay oder bei der diensttäglichen Laufgruppe des Ortes – überall findet sich jemand, der zumindest flüchtig über meinen alten Freund Len spricht. Nur den Ort seiner letzten Ruhe, den habe ich bis heute nicht gefunden. Doch wie ich nun mit einer Tasse Rooibos-Tee und meinem Laptop unter der Bettdecke meiner Herberge in Hout Bay sitze und dem Rauschen des Meeres lausche sowie den starken Windböen, die mal wieder vor meiner Tür toben, da ist mir plötzlich klar geworden, dass ich diesen Ort gar nicht brauche. Ich hab´ ihn bereits gefunden…
… Hout Bay – diese kleine Oase der Ruhe und Gemütlichkeit – das ist für mich Len. Ob ein Spaziergang in den Dünen, ein Lauf entlang des szenischen Chapman´s Peak oder ein kleiner Chat in einem der netten Cafés – ich habe meinen Ort gefunden, an dem ich von meinem Freund Abschied nehmen kann.
Und ansonsten? – … ansonsten ist Hout Bay ein kleines windiges Fischerdorf mit ganz viel Charme, dessen Besuch ich jedem Kapstadt-Besucher nur wärmstens empfehlen kann.
Einige phantastische Fotos! Sehr schöner Beitrag, mit bitter-süßer Note. Aber … that’s life.
Hätte ich das doch nur gelesen, bevor ich heuer dort war!
Vielen Dank! Aber mit Sicherheit war es trotzdem schön in Hout Bay!!! Und heute hat ja auch das Wetter mitgespielt : )
Happy 76th birthday Len (thinking of you even though you´re not here to celebrate it)!
Hallo Antje, angenehm berührend beschrieben. Danke für deinen Besuch. Hout Bay kenne ich übrigens von zwei Reisen nach Südafrika, Auch wenn es jedes Mal zu wenig Zeit dort war, habe ich mich dort immer sehr wohl gefühlt 🙂 LG Annette
Vielen Dank Annette. Ja, Hout Bay ist ein traumhafter Ort. Aber manchmal ist es ja auch ganz gut das Gefühl zu haben zu wenig Zeit an einem Ort verbracht zu haben, um einen guten Grund zu haben zurückzukommen : ) LG Antje
…und Südafrika bietet so viele Gründe dafür 😀 LG Annette
Ein wunderschöner friedlicher und emotionaler Ort. Das sind jene Plätze und Begegnungen, die das Leben bereichern und die um nichts in der Welt durch Geld und materielle Dinge aufgewogen werden können!
Sehr schön gesagt. Das stimmt : )
Super schöner Beitrag. Besonders die Verlinkungungen haben mir gefallen. Sehr professionell. Und wenn man schon mal dort war, kann man mit eintauchen.
Vielen lieben Dank.
Eine berührende Huldigung Deines Freunds Len, liebe Antje.
Lieben Dank Tanja, das bedeutet mir viel, dass su das sagst.
LG