Sprachlos in Varadero – Impressionen aus Kuba IV.

Von der wunderschönen Kolonialstadt Trinidad im Süden des Inselstaates sollte es knapp 300 Kilometer weiter in Kubas wichtigsten Touristen-Hotspot gehen: in den Norden, nach Varadero! Doch bevor ich mich, von meiner Freundin Lisa begleitet, in den morgendlichen 9 Uhr Bus von Trinidad nach Varadero setze, muss ich nochmal kurz zurückspringen…

Denn vier Tage zuvor – im wunderschönen ländlichen Viñales – hatte ich absolut fasziniert und fast ein wenig ohnmächtig vor Euphorie dabei zugesehen wie die Sonne mit einem gewaltigem Farbspektakel im saftig grünen Tal verschwunden war. In meiner Unersättlichkeit hatte ich völlig ignoriert, dass ich fror und direkt in kalter, windiger Zugluft saß. Drei Tage später bekam ich in Trinidad die Quittung dafür: nämlich einen total angeschwollenen und schmerzenden Krächzhals. Doch dem trotzend hatte ich den Abend vor meiner Abfahrt nach Varadero auch noch in Trinidad bis spät in die Nacht neben dem Plaza Mayor in der Casa de la Música verbracht. Denn an diesem Ort kann man den Kubanern und Besuchern wunderbar beim nächtlichen Salsa-Spektakel zuschauen. Dazu gab’s leckere Mojitos und eine der organischen Zigarren von unserem Öko-Tabakbauern aus Viñales. Natürlich. Schließlich waren wir auf Kuba!

Doch die endgültige Rechnung für diese „Schändung meines Körpers“ musste ich nun an diesem Morgen zahlen. Mit einem komplett dichten Hals und ohne überhaupt fähig zu sein auch nur ein leises klägliches Krächzen herauszubekommen, stehe ich hilflos an Trinidads Busstation. Meine Freundin Lisa kauft mir schließlich mein Busticket und setzt mich fürsorglich in den Bus während sie die beruhigenden Worte spricht: „Bis Varadero sind’s doch gute 6 Stunden, bis dahin kommt deine Stimme ganz sicher wieder!“ Ich verabschiede mich von ihr und steige nicht ganz so zuversichtlich wie ihre Worte es sind, doch zumindest etwas entspannter, in den Bus. Auf geht die Fahrt! Die ersten Stunden verbringe ich schlafend allein im Bus. – Doch natürlich sollte sich inmitten der kubanischen Pampa ein radelnder Deutscher zu mir gesellen. Nachdem er sein Fahrrad im Stauraum verpackt hat, lässt sich der ergraute Herr gemütlich neben mir in den Sitz plumpsen. Natürlich will er sogleich wissen, wo ich denn herkommen würde. In Vorbereitung auf das Zusammentreffen mit meinem neuen Sitznachbarn hatte ich schon vorher unbeobachtet den Versuch gestartet, ob meine Stimme vielleicht doch schon wieder ein Flüstern zulassen würde. Doch der Versuch bleibt erfolglos. Ein Hauch von Nichts! Ich schüttele den Kopf und gebe meinem Nachbarn zu verstehen, dass ich stumm bin. Dieser schaut mich irritiert an. Dann nickt er kurz. Bis wir unser Ziel in Varadero erreichen werden, startet er sage und schreibe noch genau 7 Mal den Versuch, mit mir zu sprechen!

Am frühen Nachmittag fahren wir in die Busstation von Varadero ein. Diese befindet sich in Varadero Town, im südwestlichen Teil der Halbinsel Hícacos. Die meisten Touristen Varaderos kennen jedoch nicht Varadero-Stadt, sondern vor allem die Hotelzone am Strand von Varadero mit all ihren All-inclusive Resorts. Dieser moderne „Goldesel“ Kubas erstreckt sich auf dem 20 Kilometer langen, feinem weißen Strandabschnitt entlang der sandigen Halbinsel Hícacos. Je mehr man sich dem Ende der Halbinsel nähert, desto mehr exklusive Mega-Hotelbunker, die mit ihren dicht aneinander gereihten Hotels wie aufgefädelt auf eine Perlenkette wirken, sind zu finden. Doch dieser Teil Varaderos ist nicht mein Ziel! Ich schnappe mir mein Gepäck und mache mich auf den Weg in den Westen des Städtchens, auf der Suche nach einer geeigneten „casa particular“ (Privatzimmer bei Familien) für die Nacht.

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Cuba`s biggest beach resort is Varadero. One of the primary tourist attractions in Varadero is Varadero Beach, which is a 20 kilometers long sandy beach along the Peninsula de Hicacos.

Doch zuerst will ich an einem Imbiss wieder zu Kräften kommen. Doch noch immer fehlen mir die Worte! Trotz mehrmaligem Zeigen an der Imbisstafel auf meine auserwählte Beute, versteht die Kassiererin nicht, was ich will. In meiner Not krame ich Papier und Stift aus meinem Rucksack hervor und schreibe auf Spanisch folgendes nieder: „Ich habe meine Stimme verloren. Ich möchte ein Brötchen mit Gemüseomelette und einen Guavensaft.“ Die Dame nickt mir etwas mitleidig zu, dann wendet sie sich an ihren Kollegen: „Eusebio, das Mädchen ist stumm. Gib ihr einen Saft und ein Omelette.“

Kurz darauf bezahle ich mein sehr preiswertes Essen. Diesmal darf ich in der Nationalwährung zahlen, nämlich mit dem CUP (peso cubano). Ich erinnere mich zurück, dass ich wenige Tage zuvor in Havannas Innenstadt in einem der Touristenimbisse fast das 15-Fache (!) für die selbe Mahlzeit bezahlt habe, nämlich in harten Devisen, dem CUC (peso convertible). Wieder kommt in mir die Frage auf, wie lange dieses Parallelsystem Kubas bei dem derzeitigen Touristen-Boom noch funktionieren wird? Sind soziale Spannungen in diesem Land, was im Vergleich zum Rest der Welt eine sehr egalitäre Gesellschaft hat, nun nicht auf Dauer vorprogrammiert? Denn langsam aber sicher wird es immer offensichtlicher, dass das inländische Geld wertlos ist und man Devisen braucht, um etwas kaufen zu können. Natürlich existieren auf Kuba seit Jahrzehnten zwei Devisen und seit Jahrzehnten kommen Touristen ins Land. Doch Kuba ist im Wandel und das „Private Business“ relativ neu! Wer heutzutage als Kubaner im Tourismussektor arbeitet und CUC´s von Geschäften mit Ausländern besitzt, der kann sich ordentlich was leisten, der kann investieren und sehr gut leben! So entstehen langsam aber sicher Klassen auf Kuba, nämlich zwischen denen, die in CUP verdienen und sich nicht mehr als das Nötigste leisten können und jenen, die im Tourismus harte Devisen, die CUC, verdienen. Und das in einem Land, was keine Klassen wollte! So sieht man einerseits Kubaner, die in langen Schlangen nach Brot und Gemüse für die staatlich subventionierten Lebensmittel anstehen und andererseits jene Kubaner, die gemeinsam mit den Touristen die teuren Restaurants besuchen …

Doch nun wieder zurück zum eigentlichen: meinem Essen. Für kaum einen Euro esse ich eines der leckersten und wohl günstigsten Omelettes, die ich je verspeist habe und trinke einen super frischen Guavensaft. Ich schäme mich fast ein bisschen so wenig bezahlt zu haben. Doch da ich das Budget meiner Kubareise durch die angestiegenen Preise in CUC´s bereits lange zuvor überschritten habe, beschwere ich mich natürlich nicht! (-; Ohne Stimme wäre das ja sowieso nicht gegangen.

Meine Zimmersuche in Varadero gestaltet sich ähnlich schwierig. Aufgrund des derzeitigen Touristenansturms auf Kuba und mangels vorheriger Reservierung, kosten die günstigen Privatunterkünfte nicht 30-35 CUC wie es mir mein Lonely Planet vorausgesagt hat, sondern liegen im Schnitt bei 45 CUC (ca. 45 Euro). Als Alleinreisende liegt das keineswegs in meinem Budget! Zudem kann ich nach 11 Tagen auf Kuba einschätzen, dass für die Zimmer, die mir gezeigt werden, keineswegs 45 Euro kassiert werden können! Mit einem Papierschild in der Hand und der nieder geschriebenen Frage, ob es denn noch ein Zimmer gibt und wie viel es denn kostet, bewaffnet, marschiere ich unter der knallenden Sonne Varaderos durch die Stadt. Ich komme mir schon ziemlich komisch und vor allem sehr hilflos vor, so sprachlos durch Varadero zu streifen. Doch was bleibt mir anderes übrig? Nachdem ich eine gute Stunde durch die Häusersiedlung Varaderos gelaufen bin und einige mitleidige Blicke und freundliches Kopfschütteln geerntet habe, finde ich schließlich ein kleines Hinterzimmer bei einer netten Familie. Bei geöffneter Tür sitzen die Eltern mit ihren zwei kleinen Kindern – sowie Onkel, Tante und Großmutter, die zu Besuch sind -, vor dem Fernseher. Sie studieren meinen Zettel intensiv. Dann zeigt mir der Familienvater das Zimmer, nachdem mir seine freundliche und sehr geschwätzige Frau die gesamte Familie vorgestellt hat. Obwohl sie von meiner Stummheit wissen, stellen sie mir hundert Fragen. Mir bleibt nichts anderes übrig als mit einem schüchternen Lächeln und willigem Kopfnicken zu antworten. Denn noch immer ist mir kein einziger Laut zu entnehmen!

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Walk through Varadero town …

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The small colonial-era church Iglesia de Santa Elvira.

Nachdem ich der sehr einseitigen Konversation mit meiner netten Herbergsfamilie entkommen bin, mache ich mich auf Varadero zu erkunden. Die kleine Kolonialkirche Santa Elvira und zwei große grüne und ziemlich gut besuchte Parkanlagen lasse ich relativ schnell hinter mir, denn natürlich will ich zum Strand. Für den ist der beliebte Badeort Varadero nämlich berühmt. Ich stapfe also durch endlos feinen, weißen Puderzuckersand, blicke auf das türkisfarbene Meer und die großen tropischen Palmen. Wohlig warme Sonnenstrahlen scheinen hinab und der Himmel leuchtet strahlend blau. Ich kann nicht verleugnen, dass es ein paradiesisches Gefühl ist diesen endlos erscheinenden Karibikstrand entlang zu laufen und in das angenehm warme und zugleich erfrischende Wasser zu springen. Trotz zahlreicher All-inclusive Ferienanlagen, die am Rande des Strandes stehen, ist der Strand heute glücklicherweise nicht mit Pauschaltouristen überfüllt. Trotzdem würde ich jedem Kubabesucher, der wenig Zeit für die Insel hat und vor allem Havanna und das kubanische Leben kennen lernen möchte, die „Playas del Este“ (dt.: Strände des Ostens) bei Havanna ans Herz legen. Denn nur etwa 20 Kilometer von der kubanischen Hauptstadt entfernt befinden sich diese langen, paradiesischen Strände, die für Städtebesucher ein absolutes Highlight sind. Wer also wenig Zeit hat, muss nicht unbedingt die 2-3 Stunden von Havanna nach Varadero fahren, um den Karibiktraum zu leben! Natürlich füllen sich auch die Strände des Ostens, insbesondere in der Hochsaison mit Habaneros, die dem stickig heißen Havanna entkommen wollen, doch wer ein wenig läuft, findet auch hier tolle Strandflecke und kristallklares Wasser.

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20 km east of Havana you´ll find several beautiful beaches named Playas del Este.

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The Playas del Este is a stretch of pleasant, white-sand beaches and clear aquamarine waters of the beautiful Atlantic coastline just east of Havana.

Nach einem wunderschönem Sonnenuntergang laufe ich zurück in das Stadtzentrum und speise wirklich gut und auch sehr günstig im staatlichen Restaurant La Vicaria. Die Portionen sind riesig und die Kellnerin überaus freundlich. Nur sprechen, das kann ich noch immer nicht! Wie gerne hätte ich ihr gesagt, dass mein Essen vorzüglich ist und sie sich ausgesprochene Mühe mit dem Service gibt! Plötzlich fühle ich mich einsam. Wortkarg. Unfähig mich auszutauschen und mitzuteilen. Manchmal sagt ein Lächeln mehr als tausend Worte, doch erst jetzt bemerke ich, wie viele kleine Worte am Tag ich doch eigentlich benutze, um meine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Zwar lächele ich gerne und das auch oft, doch so ganz ohne Worte und als einziges Ausdrucksmittel fühle ich mich langsam ziemlich bekloppt! Auf dieser Reise durch Kuba habe ich sicherlich so Einiges gelernt und gesehen, doch meine ganz persönliche Lektion war sicher die Sprachlosigkeit in Varadero. Denn von nun an werde ich so Einiges, was mir so ganz selbstverständlich erscheint, nicht mehr als gegeben hinnehmen, sondern mehr wertschätzen! Mit Blick auf Kuba hoffe ich im Übrigen das selbe! Denn das Land ist im Wandel und einen Wandel, den wollen wohl auch (fast) alle Kubaner. Doch wie der Wandel auf dem Inselstaat genau aussehen wird, das ist noch unklar … Ich hoffe daher, dass Kuba es wirklich schafft seinen ganz eigenen Weg der Öffnung und des Wandels zu gehen und sich dabei stets seiner Einzigartigkeit bewusst ist und diese – genauso wie ich meine Stimme – niemals als gegeben hinnehmen wird, sondern schützt. Damit beziehe ich mich natürlich nicht auf schicke Oldtimer und hübsche Kolonialstädte, sondern vielmehr auf gewisse Werte wie z.B. das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Friedlichkeit … Da wären wir also wieder bei der Kuba-Nostalgie angekommen! – Scheinbar hat sie auch mich getroffen : )

Als ich am nächsten Morgen in meinem kleinen Hinterzimmer aufstehe und wenig später bei der Familie am Frühstückstisch „aus-checke“, glaube ich meinen Worten kaum. Ein leises und heiseres Krächzen entspringt meiner Kehle und klingt so ähnlich wie ein „Muchas gracias“. Doch nicht nur ich bin über meine plötzliche Stimmgabe entzückt, sondern auch Maribela, meine Gastgeberin. „Sie kann ja doch sprechen!“, kreischt sie ihrer Familie überaus freudig zu.

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Caribbean dream!

Eure Antje ❤ 

Vielen Dank fürs Lesen! Zum 1. Kapitel der Kuba-Reihe gelangst du hier. EINE AUSFÜHRLICHE VERSION IN FORM EINES EBOOKS ZUM DOWNLOAD GIBT ES HIER.

0 Gedanken zu “Sprachlos in Varadero – Impressionen aus Kuba IV.

      1. Schön, mal wieder Bilder von Kuba zu sehen. DANKE. Wir waren Anfang 2006 dort und sind 3 Wochen mit dem Auto über die Insel gefahren (incl einem Inlands-Flug … großes Erlebnis). Ich erinnere mich gern an die freundlichen Menschen dort und wie sie aus der Situation das Beste machten. Kuba ist auf jeden Fall ein Reiseziel was nachhallt und den Reisenden verändert (wenn er die Augen aufmacht)

      2. So habe ich es auch empfunden und denke immer wieder gern zurück. Und hoffe eines Tages auch noch mal länger nach Kuba zurückkehren zu können… lG

  1. Du Arme! Ich kann dieses Gefühl der Sprachlosigkeit total gut nachvollziehen. Ich litt auch schon mehrfach an Laryngitis und kam mir ebenfalls bescheuert vor! 🙂 Die Strände mit dem turkisblauen Meer sind echt der Hit! Erinnern mich an Curaçau. Da kam bei mir allerdings das karibische Feeling nicht so auf.

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