TAZARA – sechs Buchstaben, die schon seit Jahren in meinem Kopf herum schweben und nun endlich zur Realität geworden sind. Zumindest zur Hälfte. Aber bereits diese Hälfte hat mich ziemlich glücklich – und Lust auf mehr gemacht. Mehr Bummelzug!, der einen kleinen, aber feinen Einblick in das grüne, blühende Tansania der Regenzeit und den Alltag der Menschen entlang der Bahnlinie gibt. Ich kann mir keine sympathischere und gemütlichere Variante vorstellen, als in knapp 24 Stunden einen so umfassenden und weitreichenden Einblick in das tansanische (Dorf)-Leben zu bekommen.
Aber nun zurück zu TAZARA. Diese Buchstabenkombi steht für Tanzania-Zambia Railway und bezeichnet den Bummelzug, der 1.860 Kilometer von Daressalam in Tansania ins Nachbarland Sambia nach Kapiri Mposhi zurücklegt. Dabei handelt es sich um keinen ausgesprochenen Personenzug, sondern um jene Eisenbahnlinie, die in den 1970er Jahren von den Chinesen gebaut und finanziert wurde, mit dem Ziel dem Kupferproduzenten Sambia einen besseren Zugang zum internationalen Seehandel zu ermöglichen (Daressalam beherbergt den zweitgrößten Hafen in Ostafrika!). Auf den chinesischen Hunger nach Rohstoffen, die Ausbreitung und den Einsatz in Afrika muss an dieser Stelle wohl nicht weiter eingegangen werden. Das wäre dann ein anderer Beitrag … : )
Meine Strecke führte mich allerdings nicht bis nach Sambia, sondern ich habe mich für die knappe Hälfte entschieden und bin von Daressalam nach Mbeya, kurz vor der sambischen Grenze gefahren.
Los ging es rund fünf Kilometer außerhalb des Zentrums der 5,5 Millionenstaat Daressalam am Eisenbahnhof. Ich traf pünktliche vier Stunden vorher am Bahnhof ein, da meine telefonische Reservierung nicht wirklich erfolgreich gewesen war. Und das trotz meiner Suaheli sprechenden Freunde, die sich mehr oder weniger einsatzbereit gezeigt hatten, dem Ticketbüro eine Woche lang dauerhaft hinterher zu telefonieren. Trotz dieses Misserfolges ergatterte ich am Abreisetag problemlos ein Ticket für das Sechser-Schlafabteil der 2. Klasse. Natürlich! Schließlich herrscht derzeit Regenzeit in Tansania und die Touristenscharen, die sich diesem nostalgischen Bummelgenuss durch das grüne Tansania voll und ganz hingeben wollen, halten sich zu dieser Zeit in Grenzen.
Der Großteil der Einheimischen bevorzugt zudem den Bus, schließlich möchte man schnell von A nach B kommen. Dennoch war die Eisenbahn gut besucht. In der Bahnhofshalle reihten sich die Wartenden mit ihren per Hand ausgestellten Fahrscheinen. Als nach einer rund einstündigen Verspätung das Signal in der bereits abgesperrten Bahnhofshalle ertönte, rannte ein Jeder in seinen bunten Kleidern und Tüchern blitzartig mit Sack und Pack Richtung Bahn. Es wurde gedrängelt, geschubst und auch ein bißchen gemeckert, schließlich ging es für den Großteil der Passagiere der Sitztickets darum, einen guten Platz zu ergattern.
Ich guckte mir das Spektakel fasziniert an. Hatte ich doch das Glück, dass in der zweiten Klasse die Betten im Abteil direkt verkauft werden und ich mich mit niemandem um meinen Schlafplatz streiten musste. Jedem, der darauf verzichten und eine komfortable Reise möchte, dem lege ich die Schlafwagen nahe.
Wie es der Zufall so wollte, teilte ich mir mein Sechser-Abteil mit vier weiteren (sympathischen) deutschen Frauen. Und nein! – Trotz der Reiselust der (vielen!) Deutschen war die TAZARA-Fahrt kein deutsches Unterfangen, sondern wirklich purer Zufall! In unser gemütliches Abteil gesellte sich zeitweilig zum Kili-Bier-Plausch noch ein weiteres deutsches Pärchen. Ansonsten zählte ich rund zwölf weitere Touristen aus Europa bzw. Südamerika. Der Großteil der anderen Reisenden waren Ost- und Zentralafrikaner. Das Zugpersonal aus Tansania und Sambia.
Nach einer weiteren halben Stunde Verspätung setzte sich der Zug mit einem langsamen Ruckeln in Bewegung. Vorfreude lag in der Luft! Ich hatte mir vorgenommen einen kompletten Tag nichts zu tun – absolut nichts … außer zu schauen, zu trinken, zu gucken, zu essen, zu beobachten, zu schlafen, zu quatschen und weiter zu schauen! Ich habe diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Schwer gefallen ist es mir nicht. Entschleunigung pur! Einziges Manko: Die rund eintägige Fahrt endete viel zu schnell. Warum fühlt sich Schönes nur immer so kurz an??? Ich hätte noch endlos weiter fahren können … in meiner Erinnerung mache ich das übrigens auch (-;
Vorbei geht es an grünen Feldern, durch Dörfer, Siedlungen, Wälder, Felder und auch durch den Nationalpark. Kinder rennen den Zug entlang, winken, schreien und sobald sie einen erspähen, ertönt das bekannte „Mzungu, Mzungu“. Wer durch Ostafrika reist, versteht schnell, wann über ihn gesprochen wird. Mzungu ist in aller Munde.
Die Landschaft fliegt vorbei, sie verändert sich alle paar Minuten.
Frauen arbeiten auf dem Feld, Jungen treiben ihr Rindvieh ans Wasser, Männer bearbeiten den Boden, Frauen balancieren Holzstämme auf ihren Köpfen, Männer reparieren ihre Werkzeuge, Kinder baden im Fluss, kleine Jungen versuchen zu angeln, die alten Frauen kochen, Kinder marschieren durch die Wiesen – die Eisenbahn zieht vorbei. – Sie stoppt. – Frauen drängeln sich an die Fenster. Bananen, Fische, Kekse, halbe Hühner, Kokosnüsse und sonstiges Allerlei wechseln ihre Besitzer. Es wird geschrien, geschubst, gehoben, gesenkt und eine Jede versucht ihre Ware an die Vorbeifahrenden zu verkaufen. – Die Eisenbahn rollt weiter.
Das Bild wiederholt sich. Schreiende Kinder, lachende Kinder, rennende Kinder, arbeitende Frauen, arbeitende Männer. Sobald sie die Bahn erspähen, blicken sie auf.
Ich winke. Sie winken zurück. Die anderen Reisenden winken. Die Menschen in den Dörfern winken zurück. Fast scheint es so, als wäre die zweimal in der Woche vorbeiziehende Bahn nicht nur ein Highlight für uns – die Reisenden, sondern auch für die Menschen vor Ort. Es scheint, als wenn sie die ganze Woche nur darauf warten würden, dass die Eisenbahn endlich vorbeikommt.
Ich starre aus dem Zug. Ich starre auf die Menschen. Sie lachen, sie winken. Ich winke zurück. Genauso habe ich es mir vorgestellt. Diese Reise könnte für mich endlos so weiter gehen. Es ist pure Faszination. Es ist ein Privileg, soviel sehen zu können. Es ist eine Einzigartigkeit, die in diesem Nichtstun liegt und ein einzigartiges Gefühl der Glückseligkeit, das bei einer Fahrt in der Eisenbahn TAZARA aufkommt.
Die TAZARA-Fahrt ist eine simple Fahrt. Ein einfacher Bummelzug, der, wie es heißt, oft kaputt geht, verspätet ankommt, äußerst modest und spartanische (aber sauber) eingerichtet ist. Auch das Essen ist simpel. Es besteht für mich (mit meinen besonderen Essgewohnheiten) aus Reis oder Ugali (Getreidebrei aus Maismehl) und Gemüse und Toast zum Frühstück. Fisch ist leider aus. Für alle anderen gibt es auch Hühnchen, Milch und Ei. Doch mehr bedarf es wirklich nicht!
Reis hat nie zuvor so lecker geschmeckt, den Ugali mit Händen in den Mund zu schaufeln, hat nie mehr Spaß gemacht und – obwohl ich absolut keine Biertrinkerin bin, habe ich mir meine tansanischen Kilimandscharos mit größter Freude hintergekippt.
Am Abend schlafe ich friedlich auf dem obersten Etagenbett ein. Dann plötzlich werde ich des Nachts wach. Das Bett ist eng, die Luft im Abteil stickig und mich überkommt ein merkwürdiges Gefühl der Einengung, des Nicht-atmen-Könnens. Ich hangel mich von meinem Bett und betrete den Zugflur. Ich starre aus dem Fenster in die dunkle Nacht und atme tief ein. Das tut gut. Dann gesellt sich Erik zu mir, ein sambischer Bahnmitarbeiter. Wir starren beide aus dem Fenster in die Finsternis. Der Zug steht und wir befinden uns gerade im Mikumi-Nationalpark, wie Erik sagt. Leider ist die Nacht äußerst duster und ich kann keine Tiere erspähen. Der Zug rollt wieder los. Die Luft tut gut und ich plausche ein bißchen mit Erik. Dann kehre ich zurück in mein Zugabteil. Enge und Stickigkeit sind weg. Abermals schlafe ich friedlich ein.
Als wir am Samstag bereits am frühen Vormittag in Mbeya eintreffen, kann ich es kaum fassen. Ich sitze gerade im Speisewagen und genieße mein Ugali mit Gemüse.
Was ist mit der Verspätung, von der alle immer gesprochen haben? Warum müssen nun gerade wir so pünktlich eintreffen? Ich spiele kurzzeitig mit dem Gedanken nicht auszusteigen und noch weiter mit der Bahn bis zum Endziel in Sambia nach Kapiri Mposhi zu fahren.
Warum? Einfach weil die Zugfahrt so viel Spaß macht und ich nicht möchte, dass diese Reise schon endet … doch alles nimmt einmal ein Ende. Schweren Herzens schnappe ich mir mein Gepäck und verlasse die Eisenbahn. Ich werfe einen letzten wehmütigen Blick zurück zum langsam los ratternden, rot-weiß-blauem Zug. Lieber alter Bummelzug, wir werden uns wiedersehen. Eines Tages, da werden wir uns wiedersehen!
Kurz und knapp: TAZARA
- WAS: 1860 Kilometer von Daressalam nach Kapiri Mposhi bzw. von Kapiri Mposhi nach Dar.
- WANN: Der Zug fährt 2x die Woche (Express und Ordinary Trains)
- WIE: 1. und 2. Klasse im Schlafwagen (4 bzw. 6-Betten), Super Seater und 3. Klasse (Sitze bzw. Bänke)
- WIEVIEL: Supergünstig! Die meisten Einheimischen nehmen den Bus, da dieser schneller ist. Es ist empfehlenswert im Schlafwagen zu fahren. Paare müssen ein ganzes Abteil buchen (und auch zahlen), um zusammen in einem Abteil fahren zu dürfen.
- Tickets: Kein einfaches Unterfangen, da nicht online gebucht werden kann! Bestellungen gehen per Telefon (es gibt verschiedene Nummern, die jedoch nicht sehr verlässlich sind). Das einfachste ist das Ticket direkt an der Station vor Ort zu kaufen. In der Nebensaison geht das zumeist problemlos. Ich habe mein 2. Klasse-Ticket rund vier Stunden vor Abfahrt am Bahnhof in Daressalam kaufen können. In der Hochsaison würde ich es jedoch nicht drauf ankommen lassen : )
- WEBSITE: www.tazarasite.com
Ich bin richtig mitgefahren … toll!
Danke schön!! Das freut mich : )
Hey, schöner Beitrag! 🙂 wollte vor drei Jahren auch den Tazara bis nach Sambia nehmen, er war aber leider schon komplett ausgebucht. 😛 Habe dann den Bus genommen, was auch eine super Erfahrung war. Vielleicht das nächste Mal dann. 😉
Liebe Grüße
Danke Chrissy!!! Wow, ausgebucht? Das ist natürlich crass. Ja, aber eine tolle Erfahrung, ich würde nächster Woche am liebsten gleich wieder fahren 😉 Drück die Daumen, dass es bei dir auch noch klappt. Liebe Grüße
Toller Bericht,wäre ich auch gern dabei gewesen!
Danke Hedwig! LG
😊
Wow Super schön beschrieben da kann man sich richtig hineinversetzen als ob man selbst ist dabei 😂👍👌👍🏍👏👏👏😊
Vielen Dank Helmut. Das freut mich zu hören 🙂 🙂
Wow, besser hätte ma die Fahrt gar nicht beschreiben können 😍
Es war einfach unbeschreiblich schön und toll dich kennen gelernt zu haben 😊
Liebe Grüße
Vielen lieben Dank Sabrina. Das kann ich nur zurückgeben! War schön mit euch und eine tolle Fahrt!! 🙂 Hoffe ihr genießt eure weitere Zeit!!!
Liebste Grüße aus Nairobi!
Antje
Es hat wieder mal Spaß gemacht, als Schatten mit Dir zu reisen, liebe Antje. Ich fahre auch liebend gerne Zug, und Dein Bericht beweist, welch gute Methode es ist, ein Land etwas kennenzulernen.
Herzliche Grüße,
Tanja
Vielen lieben Dank Tanja. Dem kann ich mich nur anschließen. – Ich bin durch diese Fahrt ein noch größerer Bahnfan geworden 😉
Herzliche Grüße zurück,
Antje
Danke für den tollen Bericht und fürs Mitnehmen
Sonnenscheingrüße
Sehr gerne – und danke fürs Vorbeischauen. Die Sonnenscheingrüße sende ich zurück aus Nairobi 😉
Schmunzel….danke sehr😎
Wow, toller Beitrag. Erinnert mich an Zugfahrten durch Indien 😉
Danke schön. Das glaub ich gern 😉
Hab diese Tour 1996 in entgegengesetzter Richtung gemacht. War wirklich ein bleibendes Erlebnis. Danke für den schönen Text.
Ach toll! – ich hoffe eines Tages auch noch mal in den Genuss der entgegengesetzten Route zu kommen. Danke schön.