Bevor es ins wunderschöne Trinidad geht, eine Stadt voller Pracht und Prunk, die von längst vergangenen Tagen erzählt, geht es erstmal für einen Tag in Kubas kleines „Paris“ – nämlich nach Cienfuegos. Mit dem Víazul Bus fahren wir gute 400 Kilometer in die selbsternannte „Perla del Sur“ (dt.: Perle des Südens), die in der spektakulären Bucht von Cienfuegos liegt und 1494 von Kolumbus auf seiner zweiten Reise in die Neue Welt „entdeckt“ wurde. Im Gegensatz zum restlichen Kuba waren es keine spanischen, sondern französische Siedler, die hier 1819 eine der jüngsten und architektonisch höchst interessanten Siedlungen Kubas gründeten. Das historische Zentrum gehört seit dem Jahr 2005 zum UNESCO Kulturerbe der Menschheit. Cienfuegos wirkt mit seiner neoklassizistischen Architektur aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und der homogenen Stadtstruktur sehr elegant – karibischer Flair mit einer Portion hell erleuchtetem französischen Geist.
Das Herzstück Cienfuegos ist der zentrale Parque José Martí, um den herum sich die meisten Sehenswürdigkeiten gruppieren. Hier lässt sich gut auf einer der vielen Sitzbanken gegenüber von einigen pfeife-rauchenden Herren Platz nehmen und das bunte Treiben des Städtchens beobachten. Mit einem Stilmix aus Neoklassizismus, Art nouveau und Art déco, der längsten Allee Kubas, dem Prado, und einer wunderschönen Fußgängermeile, dem Boulevard, gehört Cienfuegos zu den wohlhabendsten und elegantesten Städten der Insel. Trotzdem wird es wesentlich weniger besucht als Havanna und Trinidad.
Wie in Havanna lohnt es sich ebenso in Cienfuegos den Abend auf dem sehr langen Malecón, der Uferstraße der Stadt, entlang zu flanieren. Das ist der beste „Weg“, um einen kleinen Einblick in das Leben der Cienfuegueños zu erhaschen. So stehe ich des nachts mit meiner Freundin Lisa auf dem Malecón vor einem kleinen Einfamilienhäuschen Schlange. Der Sohn der Familie hat hier sporadisch eine Eisdiele errichtet. Doch nicht nur wir stehen gierig nach Schoko und Vanille an, sondern gefühlt ganz Cienfuegos trifft sich bei Nacht an dieser Eisdiele! Die Stimmung ist gut und die Idee des Verkäufers kreativ. Denn da er nur wenige Geschmacksrichtungen hat, wird bei ihm nach Größe der Kugeln unterschieden. Die kleinsten Kugeln sind spottbillig, doch äußerst appetitanregend! Tja, das neue „Private Business“ in Kuba lässt sich trotz Mangel an Ressourcen stetig etwas Neues einfallen. Cienfuegos bleibt mir jedenfalls als schickes kubanisches Städtchen mit viel Charme in Erinnerung.
Von Cienfuegos geht´s schließlich gute 80 Kilometer weiter in die malerische Kolonialstadt Trinidad an der zentralen Südküste Kubas, zwischen Karibischem Meer und der wundervollen Landschaft der Berge der Sierra del Escambray.
Für Trinidad fehlen mir erstmal die Worte! Es ist eine wahrhafte Bilderbuchkulisse und ich glaubte zuerst, die Zeit sei hier stehen geblieben. Im Jahr 2014 feierte Trinidad 500-jährige Stadtgeschichte und das Städtchen wurde vom Allerfeinsten herausgeputzt. Man sagt, Trinidad sei eine der intaktesten Kolonialstädte in Amerika, und das stimmt sehr wohl. Auch ich habe das Gefühl, dass die Stadt es geschafft hat sich ihren Charme und ihr Gesicht über die letzten 500 Jahre zu bewahren.
Als ich am nächsten Morgen in Trinidad aufwache, höre ich zuerst das Klick-Klack der Hufen eines Pferdes, das mit seinem Gaucho über das Kopfsteinpflaster trabt. Dann schaue ich mich in meinem rund 200 Jahre altem Kolonialzimmer um. – Die hohen Decken sind mit Stuck besetzt, die Fenster hoch mit kunstvoll verzierten schmiedeeisernen Gittern und überall sehe ich schwere, schöne Möbel aus einer Zeit, die keineswegs das 21. Jahrhundert zu sein scheint! Wo bin ich? In welchem Jahrhundert? Ich gehe hinaus auf die mit Kopfstein bepflasterten Straßen Trinidads und schlendere mit offenem Mund durch die bunten, dicht aneinander gereihten pastellfarbenen Häuser mit ihren engen Gassen. Ein leuchtendes Gelb, ein helles Grün, ein sanfter Roséton, ein zartes Blau, ich habe das Gefühl mich inmitten von Filmarbeiten zu befinden. Vielleicht ist es auch nur eine Leinwand? In der Ferne erspähe ich bunte Oldtimer, die an prächtigen Palästen und alten Villen vorbeiziehen. Ich laufe weiter durch die Straßen Trinidads und treffe auf Trinitarios, die mit ihren Hunden Gassi gehen oder ihre Vögel ausführen. Ja, richtig gehört! Genau das, das tun sie. Sie führen ihre fliegenden Gefährten aus. Natürlich im Käfig … Aber es tummeln sich auch viele junge Touristen in Trinidads Innenstadt. Kanadier, Franzosen, Deutsche – sie alle sind hier hängen geblieben in diesem traumhaft schönem, lebendigem Museum. Sie wollen Spanisch oder Salsa tanzen lernen oder haben sich einfach nur in das schöne Trinidad verliebt. Das verstehe ich nur zu gut.
Auch Kinder sehe ich Viele. Sie rennen oder reiten durch die Altstadt oder spielen Fußball auf dem Kopfsteinpflaster – und das bis spät in die Nacht hinein. Denn es gibt keine Bildschirme, die zu Hause auf sie warten und kaum Kriminalität in dieser malerischen Stadt.
Trinidad ist klein und der Innenstadtkern aufgehübscht und wohlhabend, doch um so weiter ich mich dem Außenring nähere, ändert sich das Bild. Die Häuser werden kleiner, sind zerfallen und hier und da mangelt´s an so Einigem. Die Menschen sitzen in den Türrahmen ihrer Häuser oder auf der Straße, sie spielen Schach, schwatzen, rauchen oder putzen ihr Haus. Was mir sofort auffällt – und auch schon in meinen Tagen zuvor auf Kuba aufgefallen ist – ist der Zusammenhalt, die Gemeinschaft der Bewohner. Ob schwarz oder weiß, ob dick oder dünn, ob Hemdträger oder nackter Torso, die Menschen sitzen zusammen, vereint. Für jemanden wie mich, der viel in Südafrika gereist ist, ist dies ein besonders schönes Bild, denn im südlichen Afrika hatte ich mir stets gewünscht so ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Regenbogennation zu sehen. Auf Kuba habe ich es endlich gefunden! Die Menschen sind sehr herzlich, auch wenn sie nach meinem Urteil eine sehr (!) klare Grenze zwischen ihnen – den Kubanern – und uns – den Touristen aus den fernen (kapitalistischen) Ländern ziehen. Doch mit Blick auf die Geschichte Kubas wundert mich das nicht. Um so mehr erscheint es mir als wenn der Zusammenhalt und die Verbundenheit unter den Kubanern selbst eine ganz besondere ist, wie ich sie selten zuvor gesehen habe.
Ich mag Trinidad, die schöne, perfekt erhaltene, spanische Kolonialsiedlung mit karibischem Flair. Mir scheint es so, als hätten die Uhren in Trinidad im Jahr 1850 aufgehört zu ticken. Das Städtchen wirkt mit seinen rund 75.000 Einwohnern eher dörflich und vermittelt ein ganz besonders entspanntes und friedliches Gefühl. Seit 1989 gehört Trinidad zum UNESCO Weltkulturerbe und blickt auf eine prunk- und glanzvolle Geschichte zurück, zu der sie aufgrund ihres früheren großen Reichtums an Zuckerrohr gekommen ist.
Trinidad ist ein wahrhaftes Schmuckstück. Man muss diesen Juwel gesehen haben, um zu verstehen, was man fühlt, wenn man durch die schmalen Gassen des Städtchens läuft und denkt sich auf einer Zeitreise zu befinden. Sind wir schon im 19. Jahrhundert oder doch erst Ende des 18. Jahrhunderts? Ich weiß es nicht. Wissen tu ich nur, dass der Plaza Mayor, der als schönster Platz Kubas gilt, diesen Titel auch in meinem Herzen verdient hat. Mein Lieblingsort auf der Plaza ist der Palacio Ortíz, in dem sich heute die Galería de Arte Universal mit Werken zeitgenössischer Künstler befindet. Vom ersten Stock des Palastes hat man einen herrlichen Blick über den gesamten Plaza Mayor – ein traumhafter Blick auf eine Stadt aus einer anderen Zeit, für deren Schönheit mir schlichtweg die Worte fehlen. Doch Trinidad, die schöne Stadt, hat noch viel mehr zu bieten als alten Prunk und viel Charme.
So leihen meine Freundin und ich uns zwei Fahrräder und radeln in 40 Minuten 12 Kilometer in den Süden, wo der platinblonde Strand Ancón liegt. Playa Ancón gilt als einer der besten Strände der Südküste und schon die Fahrt unter der Sonne Kubas mit farbenprächtigen Oldtimern, die neben uns lang brausen, ist ein Erlebnis für sich. Wir verbringen einen vollen Tag am Meer unter Palmen und einzig die wenige Infrastruktur lässt uns am späten Nachmittag etwas dehydriert und erhitzt in eines der All-Inclusive Resorts am Ende des 4 Kilometer langen Strandzipfels einkehren. Auf der Suche nach einem Erfrischungsgetränk – oder einfach nur Wasser. Doch nach der Idylle am türkisfarbenen Meer, mit dem einsamen weißen Strand und der grünen Gebirgskette im Hintergrund, erleben wir einen kleinen Kulturschock. Nicht nur, dass wir das Durchschnittsalter im kubanischem Ostblockhotel um einige Jahrzehnte senken und uns plötzlich auffällt, dass unsere schweinchenrosanen Gesichter völlig harmlos im Vergleich zu den knallroten Bierbäuchen im Touristenbunker sind, sondern auch das hauseigene Entertainment-Programm, die älteren Damen mit jungen kubanischen amantes und die Massenansammlung von schwitzenden Menschen am hoteleigenen Strand, lassen uns nach einem wohltuendem Softdrink schnell wieder verschwinden.
Wir schwingen uns auf die Räder und genießen den leichten Fahrtwind auf der idyllischen und stillen Rückfahrt – froh die Hotelplatte hinter uns gelassen zu haben. Wir fahren an einer Lagune, gigantischen Palmen, traumhaften Gebirgsketten, Rindern, Pferden und hupenden Oldtimern vorbei. Die Luft ist klar und die Sonne macht sich langsam bereit unterzugehen. Wir erreichen Trinidad, die Schöne, bei Sonnenuntergang. Wir sind froh, wieder in der vergangenen Zeit angekommen zu sein.
Eure Antje
Wunderschöne Bilder und interessanter Reisebericht! Gut gemacht dazu. 😊😊😊
Vielen lieben Dank 🙂
Sehr interessanter Bericht und genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich überlege mir gerade Kuba als Reiseziel und war bisher genau wie Du abgeschreckt von den AI-Bunker. Aber so wie Du es beschreibst, kann man ja wohl gut individuell reisen. Woran hast Du diese klare Grenze Kubaner/ Touri gespürt?
Ja, auf jeden Fall! Kuba eignet sich sehr gut, um individuell zu reisen, mit dem Viazul Bus, Auto oder sogar Fahrrad. Ich würde mir allerdings die „casas particulares“ schon vorher reservieren. Ansonsten empfand ich die Kubaner als sehr herzlich! Diese klare Grenze habe ich aber gespürt, weil in jedem Gespräch auf das WIR, die Kubaner, „so leben wir“ und das IHR, „die Besucher, Gäste, Ausländer aus dem Westen“ hingewiesen wurde. Da ich zuvor in Mexiko war, ist mir das sehr stark aufgefallen. Ich glaube aber, dass dadurch der Zummenhalt unter den Kubanerm stärker ist und der ist mir auch sofort und als total positiv aufgefallen! : ) LG Antje
Danke für Deine Erklärungen. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass diese Einstellung, eher Gegensätze als Gemeinsamkeiten hervorzuheben heben von der doch recht isolierten Lebensweise herrühren könnte. Wie auch immer, ich habe gestern schon mal meinem Mann auf den Geschmack bringen wollen 🙂 Dir noch einen schönen Sonntag! Simone
Hallo Simone, ja das glaube ich auch und meinte daher, dass es geschichtlich begründet ist. Einerseits die Abgeschiedenheit über Jahrzehnte und andererseits natürlich auch die staatliche ideologische Beeinflussung nach der erfolgreichen Revolution, die Menschen zusammen zu schweißen und die soz. Errungenschaft als kulturellen Wert zu verankern. Die Menschen sind andererseits aber auch sehr neugierig – nur viele Ältere fürchten sich nach meinen Erfahrungen auch am meisten vor dem Ansturm der Amis. Ich bin jedenfalls super neugierig und hoffe du kannst deinen Mann auf den Geschmack bringen. Es lohnt sich wirklich : ) Über ein Feedback würde ich mich dann auch freuen. Wünsch auch einen schönen Sonntag. Antje
Ich liebe Kuba und würde jederzeit wieder hin wollen. Insgesamt war ich dreimal dort, war mit dem Wagen unterwegs, in jeden Winkel der Insel. Hat Spaß gemacht. Wir haben auch immer Anhalter mitgenommen und kamen dadurch den Menschen sehr nahe.
LG
Sabine
Ich bin auch zu einem totalen Kuba-Fan geworden, obwohl ich wünschte meine erste Reise nach Kuba schon vor einigen Jahren gemacht zu haben 😉
Meine erste Reise war 1990. „Periodo especial“. Unvergesslich. Es gab nix! Aber das Flair war immer schon da!
Sehr schön geschrieben. Wir waren letztes Jahr dort und haben auch eine private Rundfahrt gemacht. So sind wir viel mit Einheimischen ins Gespräch gekommen. War bestimmt nicht meine letzte Reise dahin.
Danke Ingo. Das klingt toll! Mir geht´s eben so, und ich hoffe eines Tages zurückzukehren! Liebe Grüße, Antje