Eigentlich wollte ich mit meinem Söhnchen in diesem Jahr nach Bali und meine Yoga-Ausbildung machen. Dann kam Corona. Eigentlich wollten wir dann 1080 km quer durch Deutschland wandern. Dann kam der „Lockdown light“. Nun haben wir uns entschieden das Abenteuer vor der Haustür zu suchen, denn der November mag zwar lang, aber nicht grau sein, vielmehr: herbstlich golden. Und das Berliner Umland bietet die Möglichkeit Urlaub vor der Haustür zu machen, nämlich auf einer 7-Tages-Wanderung, die Natur, Stadt und Geschichte auf wundersame Weise vereint. Wie sagt man doch: Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Vorhaben. Heute geht es auf Etappe 5 von Spandau nach Waidmannslust.
7-Tage-Rundwanderung um das herbstlich goldene Berlin
Spandau – die große Unbekannte. Als wir am frühen Morgen den wuseligen Spandauer Bahnhof verlassen und durch die Altstadt, vorbei an Stadtbibliothek und Markt, ziehen, wird mir klar wie wenig ich über diesen Berliner Ortsteil weiß. Selbst die berühmte Zitadelle, eine beeindruckende Festung aus der Renaissance und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, muss ich gestehen, habe ich bis heute (noch) nicht besucht. Schande über mein Berliner Haupt! Aber ich gelobe Besserung, und bin auch schon dabei das umzusetzen. Schließlich soll unsere Wanderung uns heute in 5 Stunden und 9 Minuten auf 21,1 Kilometern auch durch ein gutes Stück Spandau führen …
Unsere heutige fünfte Tour ist die NORDWEST-Etappe des vom Deutschen Alpenverein (DAV) und der Sektion Berlin unter dem Titel „Das alpine Berlin“ ins Leben gerufenen siebenteiligen Rundwanderweges um Berlin. Die heutige Etappe führt durch die Altstadt von Spandau zum Ufer der Havel, entlang der Uferpromenaden und dem Nordhafen bis zuletzt der Anleger der Autofähre in Richtung Tegelort erreicht wird. Es geht auf einem langen Weg mit stetigen Wellen hinüber in den Tegeler Forst, an einem Wildgehege vorbei zum Tegeler See. Schulzendorf wird passiert und über die Autobahn hinweg wird den Bergen der „Nordkette“ gefolgt. Zuletzt geht es ins Fließtal und von dort weiter zum Endziel, dem S-Bahnhof Waidmannslust.
Etappe 5: Von Spandau nach Waidmannslust
Wir haben mittlerweile die St.-Nikolai-Kirche erreicht – leider befindet sich eine Baustelle drumherum, so dass wir diesen Teil umgehen müssen. Es wird noch mal wuselig, doch kaum dass wir die Straße überquert haben, zieht Ruhe ein. Wir durchlaufen den Wröhmännerpark immer am Havelufer entlang und machen eine kurze Rast an einem Spielplatz, wo sich auch eine Entenfamilie niedergelassen hat. Mein kleines Söhnchen verlässt seine Trage und ich entlaste meinen Rücken vom Rucksack, während der Kleine mit einem anderen Zwerg „Spielplatz-Plausch“ hält. Wie das Einjährige eben so machen. Oder war es vielleicht eher ein Mama-Plausch? Egal. Die Entenfamilie watschelt wieder los – wir tun es ihnen nach.
Es geht weiter an der der Havel entlang, mit einem kurzen Halt am Außenstand von Raymons Fischrestaurant, wo es von Fischbrötchen über Glühwein allerlei Leckeres gibt. Ich nehme ein Brötchen für den Weg mit, dann ziehen wir weiter an der Großen Eiswerderbrücke vorbei, einer beeindruckenden stählernen Bogenbrücke und Kulturdenkmal Spandaus. Mein Blick fällt auf die Insel Eiswerder in der Havel, nördlich liegt die Spandauer Zitadelle. Die Insel Eiswerder ist unter anderem durch die Große Eiswerderbrücke mit dem Ufer verbunden. Ihr vorgelagert liegt die Pionierinsel, eine kleine unbewohnte verwilderte Insel, die unter Naturschutz steht. Als Inselliebhaberin hatte ich mich zuvor bereits fix über Eiswerder belesen und fasse es mal unter „bewegte Geschichte“ zusammen: Vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg fungierte die Insel als Waffenschmiede – heute ist die Insel ein Gewerbestandort mit Schwerpunkt Kunst und Medien, aber auch wohnen kann man hier neuerdings ganz gut.
Noch immer führt unser Weg an der Havel entlang, und Spandau mausert sich immer mehr zum Bezirk der Baukräne. Nicht nur, dass an der Havel gerade allerlei neue Wohnquartiere entstehen, sondern auch die vielen blitzblanken Neubaugebiete, die wir passieren, zeugen von einem Bauboom. Vorbei geht’s am Hohenzollernpark bis zu einem überaus idyllischen Fleckchen an der Havel im Maselakepark. Es ist Mittagszeit und wir lassen uns am Havelstrand an der Maselakebucht auf bequemen Holzsesseln nieder.
Mein Blick fällt aufs Wasser, die Sonne lacht und für einen Moment kommt ein Strandfeeling auf, das mich kurzzeitig vergessen lässt, dass wir in Berlin sind. Einzig das gegenüberliegende 17-stöckige, rund 50 Meter hohe Wohnhochhaus an der Havelspitze, das den schönen Namen „HavelPerle“ trägt und dessen Bewohner sicherlich einen bemerkenswerten Blick auf die Havel haben, holt mich schlagartig wieder in die Berliner Realität zurück. Bauboom-Realität?
Wir passieren die Havelspitze, später eine Werft mit allerlei Schiffen und Booten – an deren Ende wir noch mal einen Tummelplatz von unzähligen Schwänen und Enten erreichen. Dahinter Fabrikgelände und kurz darauf noch mal Neubausiedlungen. Dann wird es plötzlich ganz idyllisch. Durch die Kleingartenanlage Hakenfelde hindurch gelangen wir in einem wunderbaren Park am Havelufer. Ein Bootsclub ist hier, die Bäume leuchten in den schönsten Herbstfarben und in der Havel buhlen schicke Boote und Yachten um die Blicke der Vorbeiziehenden.
Wir laufen links am Ufer entlang zur Brücke über den Aalemannkanal und schon erreichen wir die kleine Autofähranlegestelle an der Havel. Die letzten Autos sind gerade aufgefahren und die Fähre legt ab. „In zehn Minuten bin ich wieder da“, lautet der Ruf des gut gelaunten Fährmanns, während die Fähre sich entfernt. Und in der Tat – keine 10 Minuten später passieren auch wir die Havel auf der Autofähre. Um 0,60 Cent und einen freudigen Fahrspaß erleichtert, steigen wir kurz darauf in Tegelort wieder aus.
Tegelort? Wer diese Ortslage im Berliner Bezirk Reinickendorf im Ortsteil Konradshöhe genauso wenig orten kann, wie ich zuvor, dem sei gesagt, dass dieses Fleckchen, umgeben von glitzernder Havel, Tegeler See und Forst, wahrhaft idyllisch ist. Die BVG-Buslinie 222 fährt diesen Teil Berlins im Übrigen als Endstation an und braucht vom U-Bahnhof Alt-Tegel keine Viertelstunde hierher. Wir ziehen dennoch schnell durch Tegelort hindurch – schmunzeln nur noch ein wenig über die Straßennamen der Ortslage: Edeltrautweg, Marlenestraße, Friederikestraße, Gerlindeweg … seufz! Heute würde man wohl sagen, da hat der Ortsgründer zu viel getindert … (-;
Kleine Sau – ganz groß
Wir laufen durch den Tegeler Forst – es geht auf und ab auf schönen Waldwegen. Als wir nach knapp zwei Kilometern das Wildgehege erreichen, erspähen wir nur Muffelwild in der Ferne. Am Gatter weist ein Schild darauf hin, dass es sich bei dem Frischling um eine Flaschenaufzucht handelt, weshalb er sich nicht bei den anderen Wildschweinen befinde. Frischling? Wir schauen uns um – doch weit und breit kein Schweinchen zu sehen. Also laufen wir weiter am Wildgehege entlang Richtung Tegeler See. Und da kommt plötzlich in Windseile ein kleines Etwas am Gehege entlang gewetzt, bleibt abrupt vor uns stehen, wirft sich auf die Seite – alle Viere von sich gestreckt, bereit zum Kraulen. Unglaublich. Irgendwie erinnert mich dieses Verhalten eher an meinen Hund, als an ein junges Wildschwein. Dennoch sind mein Söhnchen und ich total entzückt und widmen uns ganz dem jungen Schwein, kraulen seinen borstigen Bauch und lassen uns von der Schweinenase beschnüffeln. Dieser Frischling mutiert schnell zum Highlight unserer fünften Tagestour und ich kann meinen kleinen menschlichen Begleiter nur unter Protesten vom Frischling lösen. Im gegenüberliegenden Gehege beobachteten wir dann noch die ausgewachsenen und jugendlichen Exemplare gleicher Gattung. Sie können unser Herz weniger erwärmen …
Kurz nach dem Wildtiergehege erreichen wir den Tegeler See und passieren wenig später den Campus der Akademie Auswärtiger Dienst auf der Halbinsel Reiherwerder. Besser gesagt umlaufen wir die Tore des weitläufigen, parkähnlichen Geländes, das einst der Industriellenfamilie Borsig gehörte, die im 19. Jahrhundert durch die Gründung der Borsigwerke zum zweitgrößten Lokomotivenhersteller der Welt aufstieg. Heute ist es die Kaderschmiede des Auswärtigen Amtes. Viel sehen tun wir aber nicht, da die hohen Tore verschlossen sind. Soll uns nicht weiter stören, da uns sowieso mal wieder die Zeit im Nacken sitzt. Der Sonnenuntergang steht um halb fünf an.
So laufen wir fix durch den Tegeler Forst, passieren Schulzendorf und unterlaufen die S-Bahnunterführung, ebenso die hier (glücklicherweise) im Tunnel verlaufende Autobahn. Kurz darauf erklimmen wir den ersten Gipfel unserer heutigen Wanderung: den Apolloberg. Erklimmen scheint bei der 65,2 Meter hohen Erhebung allerdings etwas übertrieben, zumal die Wege, die hinauf zum Gipfel führen, kaum zu finden sind. Ein kleines Kreuz auf der Anhöhe weist dennoch darauf hin, dass wir es geschafft haben! Vom Apolloberg geht es vorbei an einem Unterstandpilz. hinauf zum Ehrenpfortenberg, der 69 Meter hoch ist. Von hier ziehen wir weiter durch den Wald zum Hermsdorfer Damm, wo wir auch das Tegeler Fließ erreichen. Diesem folgen wir noch eine ganze Weile bis Artemisstraße, wo wir rechts den Bahnhof Waidmannslust erreichen – unser Endziel.
Auch diese fünfte NORDWEST-Etappe rund um Berlin ist nun geschafft und hat uns von urban über wald-und wasserreich bis tierisch so allerhand geboten. Fazit: definitiv empfehlenswert. Wir freuen uns schon auf die folgenden Streckenabschnitte!
Alle Infos zur fünften Etappe findet ihr im Übrigen hier beim DAV. Zum vorhergehenden Streckenabschnitt geht es hier.
Bis dahin! Eure Antje
*//Hinweis: Die Wanderung wurde von mir selbst organisiert, die Recherche eigenständig betrieben, alle Empfehlungen sind privater Natur. Es handelt sich um keine Kooperation, dennoch kann dieser Beitrag unbezahlte Links / unbezahlte Werbung enthalten. //*
2 Gedanken zu “Wanderung „Das alpine Berlin“: Nordwest-Etappe von Spandau nach Waidmannslust”