Wanderung „Das alpine Berlin“: Südost-Etappe von Birkenstein nach Grünau

Eigentlich wollte ich mit meinem Söhnchen in diesem Jahr nach Bali und meine Yoga-Ausbildung machen. Dann kam Corona. Eigentlich wollten wir dann 1080 km quer durch Deutschland wandern. Dann kam der „Lockdown light“. Nun haben wir uns entschieden das Abenteuer vor der Haustür zu suchen, denn der November mag zwar lang, aber nicht (nur) grau sein, vielmehr: herbstlich golden. Und das Berliner Umland bietet die Möglichkeit Urlaub vor der Haustür zu machen, nämlich auf einer 7-Tages-Wanderung, die Natur, Stadt und Geschichte auf wundersame Weise vereint. Wie sagt man doch: Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Vorhaben. Heute geht es auf Etappe 1 von Birkenstein nach Grünau.

7-Tage-Rundwanderung um das herbstlich goldene Berlin

Es ist kurz nach halb elf. Nicht der beste Start für den ersten Tag meiner großen Wanderung rund um Berlin. Schließlich soll diese heute 5 Stunden und 36 Minuten dauern und der Sonnenuntergang im grauen November wird schon zu um halb fünf angekündigt. Obwohl wir in diesem Jahr eigentlich Top-Wetter haben und der November alles andere als grau ist! Könnte dennoch knapp werden, denk ich mir. Denn mit einem einjährigen Baby kommt man häufig nicht so pünktlich los, wie geplant. Und dennoch: Mit meiner Babytrage vorn ausgestattet, in der mein 10-Kilo Kindchen sitzt, und meinem Rucksack samt Proviant, Windeln und Kamera auf dem Rücken stehen wir nun am S-Bahnhof Birkenstein.

Berlin ist grün, blau – und derzeit auch herbstgolden : )

Und los geht’s! 22 Kilometer stehen auf dem Programm unserer heutigen Wanderung. Es ist die erste unserer siebentägigen Rundwanderung um Berlin. Rundwanderung? Na ja fast, denn ca. 150 Kilometer führen vom Bahnhof Birkenstein im östlichen Berlin bis zum Bahnhof Wuhletal. Ins Leben gerufen wurde diese Wanderung vom Deutschen Alpenverein (DAV) und der Sektion Berlin unter dem Titel „Das alpine Berlin“ anlässlich ihres 150er Jubiläums. Der Rundweg um Berlin wurde im Uhrzeigersinn in sieben Hauptetappen zusammengestellt und hat sich zum Ziel gesetzt möglichst viele alpine Berggipfel Berlins zu „bewandern“.

Eine ganze Weile folgen wir dem E 11, immer an der Erpe entlang.

„Alpine Gipfel“?, frag ich mich da. Bedenkt man doch, dass Berlin zu einer der flachsten Hauptstädte zählt, was der Stadt auch immer wieder einen neuen Rekord beim Marathon beschert, so könnte der Titel bei dem einen oder anderen heftiges Kopfschütteln verursachen. Doch die Aufklärung folgt, denn der Name ist in Gänsefüßchen gesetzt und soll vielmehr vermitteln, dass Berlins höchste Erhebungen Teil dieser Route sind und wunderbare Aussichten vom grünen Rand Berlins auf die Städte (im Plural, da hier auch Potsdam eingeschlossen ist!) bieten. An der frischen Luft und in sicherer Entfernung vom Getümmel natürlich, was die Wanderung perfekt für die Zeit des „Lockdown Light“ macht …

Herbstgold!

Etappe 1: Von Birkenstein nach Grünau

Unsere heutige erste Etappe ist die SÜDOST-Etappe, so wurden alle sieben Hauptetappen mit den Himmelsrichtungen, bezogen auf die Berliner Stadtmitte, bezeichnet. Sie startet am S-Bahnhof Birkenstein, führt dann über das Erpetal bis nach Friedrichshagen. Von dort in die „Berliner Ostalpen“, hinunter zur Dahme, um dann mit der Fähre zum S-Bahnhof Grünau überzusetzen. Auszeichnen tut sich die Wanderung besonders dadurch, dass alle Start- und Endpunkte einer jeden der je 20 bis 25 km langen Touren bequem mit der S-Bahn zu erreichen sind und die Etappen auch einen S-Bahn-Anschluss auf halbem Wege streifen. So ist ein späterer Ein- oder früherer Ausstieg immer möglich, wenn das Wetter mal verrückt spielt. Und es ist zudem optimal für Kurzentschlossene, da hier keine große Planung vonnöten ist, wo zum Beispiel das Auto abgestellt werden muss. Einzig Tickets für die Öffis, Proviant für die Tour, Wander- oder bequeme Laufschuhe, regensichere Kleidung, Stadtplan bzw. Wanderkarte und für den Notfall eine Taschenlampe sollten eingesteckt werden, um Natur und Geschichte rund um Berlin zu erleben.

Los geht die Wanderung am Bahnhof Birkenstein.

Am Bahnhof Birkenstein, der zur brandenburgischen Rennbahngemeinde Hoppegarten gehört, angrenzend an den Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, fühlt es sich allerdings noch nicht sehr naturnah an. Ein großer Parkplatz, ein Einkaufszentrum, Autohäuser, das alles unweit der Bundesstraße 1: Sieht so Naherholung aus? Doch nach ein paar hundert Metern legen sich meine Bedenken bereits, als wir über die alte, kopfsteingepflasterte Straße von Dahlwitz laufen. Idyllisch, dörflich angehaucht, reihen sich hier alte Gutshäuser aneinander, ebenso gibt es schmiedeeiserne Tore mit Pferdeköpfen.

Schloss Dahlwitz

In Dahlwitz drehte sich das Leben schon immer um Pferde: Der Reitsport wird hier groß geschrieben, die Rennbahn Hoppegarten liegt nur wenige hundert Meter entfernt. Vorbei geht es am Friedhof, der Kirche und dem Schloss Dahlwitz, das seit einer gefühlten Ewigkeit saniert wird. Hindurch durch den Lenné Park, vorbei an der urig anmutenden Pferdekneipe auf der Berliner Straße, die natürlich geschlossen ist. Und dann führt unser Weg auch schon nach rechts auf den Europawanderweg E11 – immer an der Erpe entlang. Die Erpe oder – wie sie oberhalb von Hoppegarten heißt – das Neuenhagener Mühlenfließ windet sich auf 32 Kilometer durch Brandenburg und Berlin. Dabei fließt sie oft durch Wiesen und offene Landschaften wie die des Erpetals, eine Besonderheit, denn das Erpetal ist eines der wenigen erhaltenen Fließtäler in Berlin.

Auf rund 32 Kilometern fließt die Erpe durch Berlin und Brandenburg.

Hier bin ich voreingenommen und habe klaren Heimvorteil, denn das ist quasi meine tägliche Dosis „Natur“ – meine Heimat. Es ist auch einer der Gründe, warum ich überhaupt erst auf diese Wanderung gekommen bin, da ich im wunderschönen Erpetal auf einem meiner dort mindestens wöchentlichen Spaziergänge mit Hund und Kind das blau-weiße Schild des Fernwanderweges entdeckt habe. Unser heutiger Streckenabschnitt vom Bahnhof Birkenstein bis zum Bahnhof Grünau folgt genau diesem E11 eine ganze Weile.

Allein auf dem E 11 – kaum Wanderer weit und breit.

Es geht durch rot-orange-golden leuchtende Mischwälder, vorbei an der einstigen Begräbnisstätte der Familie von Treskow, ein altes Adelsgeschlecht, was vielen Berlinern zumindest dem Namen nach bekannt sein wird. Wir überqueren abermals die B1, dann erreichen wir die Heidemühle und es folgt ein toller Spaziergang auf einem Waldweg stets mit Blick auf das Tal der Erpe. Wir ziehen vorbei an der Ravensteiner Mühle und folgen dann meinem Lieblingsweg des Erpetales, den ich seit Kindheitstagen kenne: Dieser Weg ist schmal und führt entlang der rauschenden Erpe mit ihrem klaren Wasser, rechts und links die Häuschen der Kleingartenanlagen und am Ende des Weges Herden von Wasserbüffeln, die dort wieder angesiedelt wurden. Diese robusten Tiere sind so gezüchtet, dass sie mit den Feuchtwiesen gut zurechtkommen und auch aufkommende Gehölze fressen. Mein Söhnchen ist inzwischen in seiner Trage aufgewacht und quiekt vor Freude, als er die Kälber der Wasserbüffel erspäht. Ich weiß nicht, ob es mein Heimatgefühl ist, aber dieser Streckenabschnitt ist einmalig schön und das besonders an so einem goldenen Herbsttag.

Berliner Superlative: Größter See und höchster (natürlicher) Berg

Bald geht es durch die Unterführung und wir verlassen die Erpe, um durch Hirschgarten nach Friedrichshagen zu laufen. Bei Hirschgarten mündet die Erpe in der Spree, während sie auf der Barnim Hochfläche bei Werneuchen entspringt. Der Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen, zu dem die Ortslage Hirschgarten gehört, ist auch mein persönlicher Favorit in Berlin. Wir laufen durch den Park und erreichen schon bald den Müggelseedamm mit seinen zahlreichen Gründerzeithäusern. Dann passieren wir den Müggelpark Friedrichshagen – wohl auch ein Sehnsuchtsort Vieler, mit traumhaften Blick auf den See. Das Bild hier ist allerdings anders als sonst, so sind sowohl das Restaurant und Café Domaines, was zu dieser Jahreszeit oft Außensitzplätze und Stände mit Kuchen, Kaffee und Glühwein verkauft, als auch das Restaurant Ehrlich geschlossen (zum Mitnehmen geht natürlich weiterhin). Dennoch gibt es viele Besucher im herbstlich leuchtenden Park, die die Aussicht auf Berlins größten See, den Müggelsee, genießen.

Berliner Bürgerbräu, einst die älteste Brauerei Berlins.

Wir laufen durch den Spreetunnel, da, wo der Müggelsee in die Spree übergeht. Auf der anderen Seite werfen wir noch mal den obligatorischen Blick zurück auf die andere Seite zum Berliner Bürgerbräu, das bis zu seiner Schließung 2010 die älteste Brauerei Berlins war. Dann laufen wir weiter entlang des Sees bis nach Rübezahl. Jogger, Radler, Spaziergänger und Wanderer tummeln sich in großer Zahl auf diesem Abschnitt. Seinen Höhepunkt erreicht dieser beim gleichnamigen Restaurant Rübezahl, wo sich auch eine Schiffsanlegestelle und ein schöner Spielplatz befinden.

Noch mehr Herbstzauber ♡

Das Restaurant ist natürlich auch hier geschlossen, doch draussen sind zwei Buden nach den Corona-Regeln geöffnet, heißt: alles nur zum Mitnehmen. Aber auch das lohnt, denken sich die vielen Besucher hier offensichtlich, die eifrig ihren Kaffee schlürfen und Fischbrötchen mampfen. Ein wahrer Lichtblick inmitten des Teil-Lockdown.

Blick auf Berlins größten See, den Müggelsee.

Wir ziehen weiter, überqueren den Müggelheimer Damm und laufen durch das hölzerne Willkommensschild am Teufelssee. Es folgt die obligatorische Rast für meinen Kleinen am Holzspielplatz – im Übrigen der zweite tolle Spielplatz auf diesem Abschnitt, weshalb sich die Wanderung auch für die Kleinsten lohnt! Dann geht es weiter zum Teufelssee: Vorbei am mit Gräsern bewachsenen Lehrpfad, der auf Stegen durch das moorige Land führt, ebenso am See mit Blick auf den bunten Mischwald auf dem Müggelberg, der seinen Charme hat.

Der Teufelssee im Osten von Berlin.

Gerade als ich am Ende des Teufelssees das Schild mit der Sage um die „Prinzessin im Teufelssee“ lesen möchte, weist mich ein Radler darauf hin, dass im schlammigen Dickicht neben dem See zu meiner rechten ein Wildschein seinen Schabernack treibe. Ich schaue in den schwarzen Schlamm, sehe aber nur Aufgewühltes, kein Schwein! Wir ziehen weiter. Es ist mittlerweile halb drei und die Zeit sitzt uns im Nacken. Noch 1,5 Stunden, bevor es dunkel wird. Wir ziehen also los, um die „Ostalpen“ zu erklimmen.

Langsam geht es den Großen Müggelberg hinauf und ich lese schmunzelnd den Hinweis „zum höchsten Berg Berlins“. Kurz darauf stehen wir dann auch am Gipfelkreuz des höchsten natürlichen Berges der Hauptstadt, der sage und schreibe 114,8 Meter hoch ist. Den ersten Berggipfel unserer alpinen Wanderung rund um Berlin haben wir nun erklommen. Trommelwirbel. Doch wir haben keine Zeit zu verlieren. Weiter geht es auf dem Kammweg zum Aussichtspunkt, wo wir einen schönen Blick auf den Müggelsee genießen, dann weiter zum Müggelturm mit Restaurant.

Blick vom Aussichtspunkt Müggelberg auf den Müggelsee.

Viele Spaziergänger sind nicht mehr unterwegs, nur eine kleine Familie mit Töchterchen, die auf den Schultern ihres Papas „Hoppe, Hoppe Reiter“ singt. Sein Blick wandert etwas neidisch auf meinen Wanderpartner: Mein kleiner Sohn schlummert mal wieder friedlich in seiner Trage. Ich laufe linker Hand die Treppe hinunter, wo ein paar Jugendliche ihre tägliche Dosis „Workout“ einnehmen und die Treppe hoch und runter flitzen. Wir ziehen weiter nach rechts und erklimmen den für heute zweiten Gipfel, den rund 70 Meter hohen Kanonenberg. Die Aussicht ist weniger spektakulär, wie die vom Müggelberg, doch die untergehende Sonne verschafft uns dennoch einen schönen Blick (na ja, zumindest mir, denn der Kleine schläft ja noch!).

Langsam erlischt das Licht: Blick vom Kanonenberg.

Kurz bevor das natürliche Licht langsam erlischt, wandern wir noch ein bisschen durch den Wald, bis wir die ersten Häuser in Wendenschloß im Ortsteil Köpenick erreichen. Hier müssen wir keine fünf Minuten warten, um mit der Fähre F 12 die Dahme bis nach Grünau zu überqueren. Mittlerweile ist es dunkel und die Lichter am anderen Ufer leuchten. Mein Söhnchen ist wach und bezaubert von den Lichtern. So eine Flussüberquerung ist schon toll und vor allem, weil die Fähre zu den öffentlichen Verkehrsmitteln Berlins gehört. Auf der anderen Uferseite steigen wir kurz darauf wieder aus und laufen zum S-Bahnhof Grünau. Den ersten Streckenabschnitt unserer siebentägigen Wanderung rund um Berlin haben wir geschafft. Ich bin ganz schön geschafft, aber glücklich. Der Herbsttag war golden, sonnig, erlebnisreich, schön und fühlte sich so gar nicht nach Lockdown, sondern vielmehr wie eine Auszeit fernab des städtischen Treibens an.

Wir freuen uns schon auf die folgenden Streckenabschnitte! Alle Infos zur ersten Etappe findet ihr im Übrigen hier beim DAV. Zur zweiten Etappe geht es hier.

Bis dahin! Eure Antje

*//Hinweis: Die Wanderung wurde von mir selbst organisiert, die Recherche eigenständig betrieben, alle Empfehlungen sind privater Natur. Es handelt sich um keine Kooperation, dennoch kann dieser Beitrag unbezahlte Links / unbezahlte Werbung enthalten. //*

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